Die (und auch meine) Biographie – Los geht´s:

„Wer? Mississippi?“ – Nein verdammt! Mrs.Hippie!

„Was? Second Hand?“ – Nein verdammt! Eigene Produktion!

„Wo? Feinkost?“ – Ganz genau! Feinkost! Einem ständig wachsenden Gewerbehof, mit Steuerzahlern!

Übrigens auch in der Dresdener Neustadt, in der Kunsthofpassage, die bereits das ist, wo die Feinkost vielleicht hin will, nur in einer anderen Form. Erfurt und Magdeburg sollen an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, nur können beide leider nicht mit einem Innenhof dienen.

Mit einer gehörigen Portion Unwissenheit begegnen uns manche Leute im Laden oder am Telefon, wenn es um unser Geschäft geht. Unsere Werbestrategie ist eben nicht sehr kostenintensiv.

Die Beweihräucherung

Aber reden wir mal über uns. Weil wir der Rede wert sind. Weil wir seit über 20 Jahren ein Geschäft haben, was für Aufsehen sorgt. Was im Touristenführer der Stadt Leipzig das Aushängeschild schlechthin für Alternative Mode ist. Meistens aber eben als Second Hand Laden aufgefasst wird. Aber das ist unsere Aufgabe für die Zukunft, das zu ändern. Ja, die Stadt darf sich glücklich schätzen, ein stabiles Unternehmen in einer schnelllebigen Branche, als Magnet für den touristischen Kaufrausch vorzustellen. All die Jahre haben wir uns nie selbst gelobt. Jetzt ist es an der Zeit uns selber zu feiern.

Wer hätte das 1995 gedacht? Abgesehen von uns natürlich. Für uns war es schon immer klar, dass wir nichts anderes machen wollen, also machten wir dass, was wir für richtig hielten und das machen wir immer noch. Wir machen unser Ding. Wir sind heute sogar so vermessen zu sagen, wir sind einzigartig. Auch im Sinne von Artig, vielleicht ja zu artig.

Menschenskinder, wir machen Klamotten. Wir produzieren seit vielen Jahren unsere eigenen Sachen, die es nur bei uns gibt. Keiner, aber auch keiner, kann mit dieser Vita mithalten. Und wir waren immer so verhalten, haben nicht mit Allüren geprotzt, sind auf dem Boden geblieben. Aber jetzt platzt es raus. Jetzt wird Klartext gesprochen. Es macht ja sonst keiner für uns.

Die Entstehung

Aber erst mal zurück zu den Anfängen. 1995 kamen wir nach Leipzig, um einen Standort in einer Großstadt aufzubauen. Ohne zu wissen, ob dass, was wir vorhatten, gelingen würde, ohne großspurigen Expansionsgedanken, nur mit einer Idee, dem Mut und dem Willen, etwas Großes aufzuziehen, gingen wir den Schritt ins Unbekannte. In der alten Ruine Feinkost, für manche immer noch eine Ruine – Pessimisten, Halbwissende, Neider und Ahnungslose – fanden wir eine alte Lehrwerkstatt des ehemaligen VEB Betriebes, in der wir uns niederlassen konnten. Hier hatten wir einen Ort gefunden, an dem wir uns ausprobieren, verwirklichen und darstellen konnten. Dafür hatten wir viele Helfer, die uns mit ihrer Kreativität unterstützt haben. Wir möchten uns an dieser Stelle aufrichtig bei allen bedanken, die daran beteiligt waren, uns zu dem zu machen, was wir heute sind. Und das kann jeder selbst sehen.

Die Philosophie

Im Laufe der Jahre haben wir einige Veränderungen an unserem Image vorgenommen. Während wir früher sogar nach Bali und Indien gefahren sind, um Containerweise Waren einzukaufen, während wir in London auf der Commercial Road Lieferwagen für Lieferwagen Klamotten aus billigster Produktion erstanden haben und während wir uns auch bei unserer eigenen Produktion wenig Gedanken über kbA und Gots Zertifizierungen gemacht haben, so ist unsere Einstellung zu ökologischen Textilien, Fairem Handel und Nachhaltigkeit heute eine komplett andere als damals.

OK, vielleicht fällt uns die Nachhaltigkeit bzw. die Langlebigkeit unserer Klamotten mal auf die Füße, denn auch in Sachen Qualität sind wir an vorderster Spitze der Modeproduzenten. Ich sage AUCH, weil auch unsere Schnitte, die zum großen Teil unserer Designerin Anna Röthig Jarusch zu verdanken sind, an Attraktivität ihres Gleichen suchen.

Die Entwicklung

Auch in unserem Laden in Leipzig haben wir einiges getan. Wir mussten beispielsweise unsere Hühnerleiter zu einem anständigen Entree umbauen, da sich auch durch unser Umdenken und unseren Stilwechsel in der eigenen Produktion, der Querschnitt unserer Kundschaft geändert hat. Während wir früher eher ein Laden wir junge Leute waren, die Älteren haben sicher auch wegen der Hühnerleiter reiß aus genommen, sind wir heute wirklich ein Laden für Jung und Alt. Fast schon mehr alt, ebenso wie wir. Und während man früher in ein dunkles Loch (so unsere damalige Sicht auf unser Geschäft) herabgestiegen ist, so flankiert man heute ganz bequem, Schritt für Schritt, in ein helles, aber nicht weniger buntes Allerlei.

Weniger ist mehr, haben wir uns irgendwann gesagt und so trennten wir uns von all dem Tingel Tangel, den Messingfiguren, den Duftlampen, den Klangschalen, dem ganzen Budenzauber und nicht zuletzt den Räucherstäbchen, die im Großen und Ganzen nur vom Wesentlichen abgelenkt haben. Nämlich von UNSEREN Sachen. Unsere Sachen standen von Anbeginn unter dem Label „The Famous Potatoes“ – die famosen Kartoffeln. Ein Begriff aus den Siebzigern, welcher für ausgeflippte Leute stand. Später kam heraus, dass es in Iowa, dem amerikanischen Kartoffelland, ebenfalls eine Marke gibt, die sich so nennt. Aber Iowa ist weit weg und wen interessiert’s? Genauso gibt es unter dem Namen „Mrs.Hippie“ eine Heavy Metal Band, was genauso wenig mit uns zu tun hat. In den Jahren kamen das Label „Heroes and Villains“, das Label unserer Gruftiklamotten, „Wally- The Original“, das Label unserer Hosen, „Adrett“, das Label unserer Designerin, unsere Grünen Labels, welche für zertifizierte Ökokleidung stehen und zuletzt unser neues Männerlabel „Helden & Halunken“ dazu. Mit all den Labels produzieren wir fleißig weiter und das ist es auch, was uns ausmacht. Wir sind selbständig, sind unabhängig von der Modeindustrie, sind fleißig, hab ich ja schon gesagt, und können so selbst bestimmen, in welche Richtung es geht. Leider, und das muss man mit aller Deutlichkeit sagen, sind wir dadurch oft zu früh bzw. weit voraus mit unserer Mode. Viele unserer Schnitte kommen meistens erst ein Jahr später in Mode, was uns manchmal zweifeln lässt. Andererseits macht es uns aber stolz, wenn wir sehen, wie viele Klamotten von uns dann wirklich einen Trend setzen und ebenso macht es uns stolz, wenn uns Menschen erzählen, seit wie vielen Jahren sie schon ihre Hose tragen.

Sowas schafft man nicht allein …

Stichwort Menschen. Wie viele Menschen wir in all den Jahren kennen gelernt haben, ist unfassbar. Allein in unserem Geschäft gab es viele Mitarbeiterinnen, die sich für uns, oder besser für Mrs.Hippie aufgeopfert haben. Nicht des guten Geldes wegen, sondern vielmehr, und das war und ist eine Einstellungsfrage im wahrsten Sinne, weil sie es wollten. Weil Mrs.Hippie Spaß gemacht hat und macht, weil Mrs.Hippie ein Zuhause war und ist, weil immer alles gestimmt hat und immer noch stimmt.

Auch für mich. Ich arbeite seit 1994 bei Mrs.Hippie, begonnen in Magdeburg, habe den Leipziger Laden mit aufgebaut, habe hier anfänglich Aushilfsschichten übernommen, während Karsten in die Welt zog und bin seit 2002 ständig hier. Ich kann mir nichts anderes vorstellen und ich weiß, dass es Karsten, Andrea, Thoralf und Berit, Ron und vielen anderen nicht anders geht.

Für uns alle ist unser Laden das Wichtigste und allen, die daran beteiligt waren und sind, danken wir auf diesem Weg. Danke, dass ihr uns geholfen habt, dass ihr eure Kraft investiert habt. Sicher habt ihr auch, so wie wir, ein paar Federn gelassen, auch das gehört dazu, wenn man sich entwickelt. Wir sind froh, dass es euch gibt!

Danke, Knautsch